Günter Schwab                      Abraham

* 1965

© beim Autor                             Seit jenem Tag ist meine rechte Hand gelähmt.

Sieh her: das Messer schnitt in meine Faust hinein

als Isaak entfloh vom roten Opferstein.

Für ihn war ich ein Vieh: verdorben ungezähmt.

 

Belügen mußte ich den alten Eselsknecht.

Betrügen meinen Sohn der mir als Sohn vertraut

der nicht verwand warum man einen Tempel baut

aus Blut Gestank und Fleisch und kaltem Gottesrecht.

 

Von Gott geführt hielt ich in meiner Hand den Tod.

Ich schrie nach ihm: Er schwieg. Ich bat: Kein Engel kam.

Doch meine Hand war stark: Sie starb vor diesem Gott.

 

Was man auch später schrieb war Trug: Er hielt mich nicht.

Noch mehr: Daß dieser Gott den Menschen so infam

als Mörder denkt. Daß er ihm lacht ins Angesicht.

 

 

 

 

Günter Schwab                             Urija

* 1965

© beim Autor                                       Ich weiß: Er wird ihn halten. Wenn er auf der Lehne

seines Thrones über eine Löwenpranke

die beringten Finger schleift und wenn er schlanke

Worte spannt wie der Ägypter Bogensehne

 

zur Gepardenjagd die rotgefärbten Augen

keinen sehen außer einen Gott der Leier-

spieler Steineschleudrer krönt zur Siegesfeier

eines Volks dem Schächer zu Regenten taugen

 

wenn dieser Gott der schwach ist denn er hat erschaffen

aus Zorn ein Auge ihm entreißt und ihm das Sehen

schenkt ihn stürzt und ihn erhebt zum eitlen Lehen

 

wenn er ihn schmückt wie eine Hure zum Begaffen:

In dieser Stunde wird mein Herz vom Schwert gespalten

Fluch nur sein und wissen: Ja er muß ihn halten.

 

 

 

 

 

Günter Schwab                             Entdeckung

* 1965

© beim Autor                                       Auf der Bühne war sie Dame Frau Geliebte

keine Rolle war es beinah Wesenhaftes

als ihr Körper schmiegend in ein vorteilhaftes

Abendkleid sich drehte als sie schmeichelnd liebte

 

zaudernd bat und wehrte da man sie bedrängte

selbst als ihre bloßen Arme sich erhoben

und sich ungestüm in Angst dazwischenschoben

sah ich nicht ihr Spiel allein wie sie sich schenkte

 

Später stand sie vor mir schmal entstiegen Lethe

schutzlos schüchtern plötzlich zitternd stand sie Rede

daß ich unwillkürlich zärtlich nach ihr faßte

 

und verwandelt fand ein Mädchen Kind Gesuchte

was mich so betörte daß ich die Erblaßte

um Vergebung für mein sanftes Glück ersuchte

 

 

 

 

 

Günter Schwab                      Handfeste Verse

* 1965

© beim Autor                                       Mit dem Gedicht zieh ich dich aus!

Schon in der ersten Zeile bleibt

dein Schuh zurück. Das Versmaß schreibt

so stur, du läßt den Strumpf vor Graus.

 

Zwei Strophen passen unter keinen Hut.

Ein Binnenvers an dem Revers

entknöpft selbst dich. Auch des Begehrs

umfassend Reim entgürteln tut.

 

Das Kleid verfängt in dem Terzett,

weil es dich lieber jambisch hätt.

Das Leibchen rafft das Enjambement

 

hinweg. Metaphern schmelzen den

BH. Die Chiffre läßt nichts stehn.

Doch leider: es ist nur Tableau.

 

 

 

 

 

 

 

Günter Schwab                      Abflug

* 1965

© beim Autor                                       Mit Handschlag lieh ich meinem Engel

mein Flügelpaar auf seine Bitte.

Vor Tagen kam zu mir der Bengel

zu Fuß nach alter Engel Sitte.

 

Ich habe sprach er neue Order

von höchster Stelle. Da der Wille

euch frei geschenkt durch Gottes Grille

läg es an mir. So bat mein Wort er.

 

Die Riemen schnallte ich ihm unter.

Den Start hat er mir abgeschaut.

Ich riet ihm nur: schau hier nicht runter.

 

Drei Kreuze noch drei Flügelschlagen

und weg war er wie abgehaut.

Ich wart bis heut. Was hilft da Klagen?

 

 

 

 

 

Günter Schwab                      Morgennacht

* 1965

© beim Autor                                       Die Haustür heftig noch im Rücken scheppernd

betret ich aktentaschenschwer getimt

den Hof. Die Dunkelheit zusammenläppernd

ist morgendlich die Nacht sehr ungereimt

 

noch da. So will wo mit gesenktem Kopf

die Beine gehen schon mein Sinnen nicht mehr

folgen. Noch schreitend heb ich meinen Schopf

und halt und bleib zum Weilen in dem Lichtheer

 

in das ich nackentief und himmelsreckend

mich verlier. Der Horror das dort nicht entdeckend

den Orion die Schlang das Bärenpärchen

 

den halben Mond das Guckloch Gottes

das hätt ich fast entbehrt in meines Trottes

Ungemach. Ach Sterneblinken bist kein Märchen.